
Neue Lebensformen aus dem Planet Oedipus Universum
Experimentierfreude und der Drang, Neues zu entdecken, werden groß geschrieben im Craftbier-Universum. Beides zeichnet die Amsterdamer Brauer von Oedipus Brewing und sechs ihrer befreundeten Brauereien aus der ganzen Welt aus. Keine größere Überraschung also, dass während des diesjährigen Planet Oedipus Music & Beer Festivals sechs außergewöhnliche Biere gebraut wurden – neue Oedipus Lebensformen sozusagen. Versteht sich von selbst, dass dabei jenseits der üblichen Braukonventionen kreativ gebraut wurde. Verschiedenste Bierstile wurden kombiniert oder auseinandergenommen und neu zusammengesetzt.
Bei meinem letzten Besuch im Oedipus-Taproom in Amsterdam-Noord noch in genussvollen Erinnerungen an das diesjährige Festival schwelgend habe ich das Limited-Edition-Sixpack auf der Theke gesichtet und nicht lange gefackelt. Bei nur insgesamt 1.500 abgefüllten Sixpacks kann man sich die Gelegenheit schließlich nicht entgehen lassen. Brouwerij De Molen, Great Leap Brewing, Nevel Artisan Ales, Cloudwater Brew Co., Brasserie Du Mont Salève und Pöhjala Brewery, allesamt bekannte Namen, die auf ein vielversprechendes Tasting hoffen lassen. Also los mit der Bierprobe Oedipus Lifeforms!
Mein Tipp für eure eigene Bierverkostung
Wenn ihr selbst ein paar besondere Biere in der Brauerei, der Kneipe oder zuhause verkosten wollt, hilft euch dein praktischer Bierbewertungsbogen (PDF) dabei, den Überblick zu behalten und euer Lieblingsbier zu finden:
PO17-DM-ALC&R, 4.5 %
Wir starten mit einer Kooperation von Oedipus und der Brouwerij De Molen. Hierbei handelt es sich um ein Adjunct Lager mit Mais und Reis. Die Buchstabenkombination, die jeweils einen Hinweis auf den Biernamen darstellt, könnt ihr in diesem Fall leicht entschlüsseln. PO17 steht immer für Planet Oedipus 2017. Das Kürzel danach steht für die befreundete Brauerei, DM hier für De Molen. Anschließend folgt noch die Abkürzung des eigentlichen Biernamens, z. B. ALC&R für Adjunct Lager with Corn & Rice. Jetzt aber wieder zurück zum Bier.

Ich verbinde die Brouwerij De Molen aus Bodegraven bei Gouda eigentlich mit schweren und intensiven, vor allem fassgereiften Bieren. Umso mehr überrascht das leichte untergärige Lager, bei dem unter anderem Mais und Reis eingebraut wurden. Prompt hat mich das Adjunct Lager dann auch an ein mexikanisches Corona erinnert, das ebenfalls mit Mais und Reis hergestellt wird. Der Geschmack bei diesem Oedipus-Bier ist insgesamt aber feiner, mit zitrusartigen Hopfennoten. Hierfür ist der verwendete Saphir-Hopfen verantwortlich: ein typischer Pilshopfen aus Deutschland, der fruchtige und blumige Noten mitbringt.
Fazit
Das Adjunct Lager ist ein süffiges Bier, an dem man sich gut einen Abend lang festhalten kann.
PO17-MS-LVBS, 4 %
Runde 2. Zusammen mit der kleinen französischen Brasserie du Mont Salève aus Neydens, südlich von Genf, haben die Amsterdamer eine Berliner Weisse mit Waldmeister kreiert. Die typische grüne knallsüße und siruplastige „Bierlimonade“ aus unserer Hauptstadt ist Gott sei Dank nicht in der Flasche. Eine erfrischende Säure dominiert dieses Sommerbier. Die Waldmeisternote kommt erst recht spät und dezent im Abgang dazu, ist aber deutlich zu schmecken. Während bei der klassischen Berliner Weisse der Waldmeister-Sirup dazu dient, die Säure auszuschalten, umrahmen und betonen die Kräuter die Säure des Bieres hier sehr schön.
Fazit
Ein echtes Überraschungsbier.

PO17-NV-APZZP, 5 %
Das dritte Bier in unserem Tasting ist ebenfalls ein saures Bier, genauer gesagt ein mit Milchsäure vergorenes Lager. APZZP steht hier für Apricot Zoet Zuur Pilsener. Um der Säure einen süßen Gegenpol zu setzen, haben die Brauer Aprikosen verwendet. Herausgekommen ist ein süß-saures Pils in Zusammenarbeit mit der Brauerei Nevel Artisan Ales aus Nijmegen am Niederrhein. Der Gegensatz von Süße und Säure ist gut gelungen, obwohl für mich die Säure deutlich dominiert. Meine beiden anderen Tasting-Partner konnten die süße Aprikose deutlicher herausschmecken. Mich hat dieses saure Pils an ein wenig das Oedipus Polyamorie erinnert.
Fazit
Alles in allem ist bei dieser Brauerei-Kooperation ein sommerlich-frisches Bier herausgekommen.

PO17-GL-HMBO, 6 %
Weiter mit einer niederländisch-chinesischen Kooperation: Ein Black Golden Ale mit Honig und Szechuan Pfeffer probieren wir als nächstes. Great Leap Brewing aus Peking ist dieses Mal die Partner-Brauerei. Klingt super spannend, war aber leider – ums direkt mal vorweg zu nehmen – für mich eher eine kleine Enttäuschung. Honig und Szechuan Pfeffer konnte ich nicht deutlich genug heraus schmecken. Auch der verwendete Sorachi Ace Aroma-Hopfen (stammt ursprünglich aus Japan, wird jetzt überwiegend in Amerika angebaut) tritt nicht deutlich genug in den Vordergrund.
Fazit
Erwartet hätte ich hier ein intensiv hopfig-fruchtiges Aroma. Vielleicht habe ich dieses Bier aber auch einfach nur nicht verstanden.

PO17-CW-NBPA, 7 %
Nach dieser kleinen Ernüchterung jetzt eine Riesenüberraschung. Bier Nr. 5, ein Belgian Pale Ale mit vier verschiedenen Hopfen, ist für mich und meine beiden Tasting-Kollegen an diesem Abend das Top-Bier des Sixpacks. Zusammen mit der Cloudwater Brew Co. aus Manchester haben die Oedipus-Brauer hier ein super hopfig-fruchtiges Pale Ale gezaubert, das fast in Richtung eines IPA geht. Weniger bitter als das Craft-Kultbier, dafür umso fruchtiger. Tropische Früchte, allen voran Maracuja und Zitrus, sind ab dem ersten Schluck präsent. Eigentlich keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass Amarillo-, Simcoe-Mosaic-, Centennial- und Loral-Aromahopfen verbraut wurden. Man kann auch leicht würzig-scharfe Noten schmecken, die sehr gut aufeinander abgestimmt sind.
Fazit
Ein Craft-Bier, wie es besser fast nicht geht. Schade, dass es dieses Bier so wohl nicht mehr geben wird.

PO17-PJ-ZDIBP, 11 %
Letztes Bier des heutigen Tasting-Abends ist ein gemeinsam mit der estnischen Pöhjala Brauerei gebrautes Imperial Baltic Porter. Als Besonderheit wurde das Bier mit Süßholzwurzel und etwas Zuckersirup versetzt, um das salzige Lakritzaroma in den Vordergrund zu bringen. Der Plan ist erstaunlich gut aufgegangen. Das Bier schmeckt weich und ist fast schon süffig. Die 11 % Alkoholgehalt merkt ihr nicht. Fans des dänischen Lakritzlikörs Gajol oder typisch holländischer Drops werden von diesem Bier begeistert sein.
Fazit
Wir waren uns einig: Kein Bier, mit dem man einen Abend bestreiten wird, aber zum Abschluss eines Tastings oder als Dessertbier nach einem 3-Gänge-Menu mehr als richtig.

Fazit zur Bierprobe Oedipus Lifeforms
Einfallsreichtum und Gespür für gute Biere zeichnen für mich das Oedipus Lifeforms Sixpack aus. Eigentlich immer kommt etwas besonders Originelles heraus, wenn sich die Oedipus-Brauer mit anderen Craftbier-Brauern zusammen an die Kessel stellen. Beim Sixpack mit dem Collaboration Brews aus dem Jahr 2016 war das auch schon so. Bestes Bier der Lifeforms-Edition war für mich das extrem hopfige Belgian Pale Ale (Bier Nr. 5: PO17-CW-NBPA). Größte Überraschung war das Adjunct Lager mit Mais und Reis (Bier Nr. 1: PO17-DM-ALC&R). Leider am wenigsten überzeugt hat das Black Golden Ale (Bier Nr. 4: PO17-GL-HMBO).
Begegnet ihr also einer Zusammenarbeit von Oedipus und einer anderen Brauerei, ganz egal ob in einer Bierbar oder einem Bierladen, lasst die Gelegenheit nicht aus. Viel verkehrt machen könnt ihr nicht. Die Finger lasst ihr allerdings besser davon, wenn ihr aktuell Durst auf ein gepflegtes Pils habt. 08/15-Biere habe ich aus der Oedipus-Brauerei bisher nicht kennengelernt.

Eure Meinung?
Was haltet ihr von der Planet Oedipus Lifeforms Edition 2017? Ich freue mich über eure Meinung.
Schreibe einen Kommentar